Gute 25 Jahre war es her. Der Schmerz, der sich so lange in Cassies' Herz verfangen hatte, war allmählich vergangen. Cassie war nie ein gewöhnlicher Familienmensch gewesen, so wie man es bei den meisten Familien entdeckten konnten, denn meist war sie einfach ein Einzelgänger gewesen, sie hatte es einfach schon immer bevorzugt, auf eigenen Beinen zu stehen, - die eigenen Ideen in Taten umzusetzen war ihr ohnehin schon immer gelungen. Dennoch empfand es Cassie für richtig, ab und an sich auf dem Friedhof blicken zu lassen, auch wenn der Ort wohl nicht der Schönste der Welt war, was Cassie nun eigentlich nicht besonders rührte, aber dennoch wollte sie sich ein wenig um ihre Eltern bemühen, die sie, vielleicht damals, wo sie noch gelebt hatten, nicht immer gut behandelt hatte. Die Einsicht, dass sie vielleicht ihre Kindheit ein wenig vermasselt hatte und besonders den Kontakt mit ihren Eltern, ihren Erzeugern, gemieden hatte, kam Cassie leider erst sehr spät in den Sinn. Selbst nach dem ihre Eltern tödlich in einem See verunglückt waren, - ertrunken, so wie es damals hies, hatte der Schmerz und die Einsicht sie damals nicht sofort in ein besseres Leben gebannt. Erst in den Jahren, in denen sie sich komischerweise anfing, alleine zu fühlen, und erkannte, was für falsche Freunde sie hatte, erfuhr, was sie alles verpasst hatte. Aber nunja, für Cassie zählt nur das 1 und das ist, dass sie die Einsicht irgendwie doch noch gepackt hat und der Zeitpunkt spielt doch dabei überhaupt gar keine Rolle, sodass man die hübsche Engländerin schon sehr früh am Morgen, natürlich total rausgeputzt, auf dem Friedhof antreffen konnte, wobei sie leicht vor dem Grab ihrer Eltern stand und die Blumen, die sie mitgebracht hatte, - übrigends, einen großen Strauß voller wunderschöner Rosen, - etwas verkrampft in der Hand hielt und wahrscheinlich fieberhaft überlegte, ob sie irgendwas machen oder sagen sollte. Aber sollte sie allenernstes mit ihren Eltern sprechen, mit ihren nicht mehr lebendigen Eltern? Der Gedanke war sie für so absurd und unwichtig, als sie leicht zusammenzuckte, als sie das Wort erhob und mit klaren Worten, aber auch leicht weinender Stimme sagte :' Hey Dad, Hey Mum.' Manchmal war Cassies Mund einfach schneller geöffnet, als das ihr Gehirn es jemals zugelassen hätte. Leicht benommen stand sie auf und legte liebevoll die Blumen auf die kalte Steinplatte, in der ' In Liebe und Gedanken an Amalie und Raphaél Faversham ' eingraviert war. Nach dem sie einige Zeit auf die Namen gestarrt hatte und ihre Fäuste dabei etwas zusammengeballt hatte, sodass die weißen Knöchel hervorstanden, packte sie plötzlich jemand an der Schulter und rüttelte sie leicht auf, von ihrer anscheinbaren Trance. „ Was zum Teuu.?“, wollte Cassie sagen, als sie sich herum gedreht hatte und geradewegs in die wunderschönen Augen Drakes‘ Blickte, dessen Bekanntschaft sie vor einigen Tagen gemacht hatte. Ihre Augenbrauen schossen leicht in die Höhe und ihr Lächeln verkräuselte sich leicht unschön in eine Art Grimasse, wobei sie „ Hey, was soll das.?“, dazu beipflichtete, wobei sie doch etwas weicher war, als es ihr Gesicht zum Anschein hergeben wollte. Ach Drake, er war echt ein Traumtyp und Cassie war richtig geknickt gewesen, als sie an dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatte, nicht allzu viel über ihn erfahren konnte, da ihm ein wichtiger Termin in die Quere gekommen war. Was für ein Glücksfall, dass sie sich wieder sahen und vielleicht würde heute mehr daraus werden. Irgendwie war es Cassie ziemlich unangenehm, denn vielleicht hatte er mit angesehen, wie sie so eben getrauert hatte, obwohl so richtig geweint und sowas hatte sie ja nicht, dennoch war es für sie genug gewesen und Cassie mochte es einfach nicht, wenn man ihr Schwäche ansah, weswegen sie etwas verlegen von dem einen Bein aufs andere hüpfte. Aber egal, vielleicht mochte er ja gefühlsvolle Mädchen?